Lebensgefahr
Im folgenden Jahr Pfingsten fuhren Sigrid und Alwin mit ihrem Bruder Benno und dessen Freundin Mathilde zum Baden an einen See. Alwin und Sigrid hatten sich ein Schlauchboot gekauft. Damit paddelten sie auf den See hinaus und machten sich mit einem Seil an einer Boje fest. Die Sonne brannte unerbittlich vom Himmel und für die beiden wurde es fast unerträglich im Boot. „Lass uns ins Wasser springen und ein wenig abkühlen“, schlug Sigrid vor. „Du weißt, dass ich nicht schwimmen kann“, erwiderte Alwin. „Wir halten uns am Bootsrand fest“, überlegte Sigrid. „Du auf der einen Seite und ich auf der anderen. Dann kann nichts passieren.“
„Jaja“, warf Alwin ein. „Dann lässt du los, das Boot kippt um und ich liege darunter.“ „Ich lasse nicht los“, versprach sie. „Wenn es dir zu langweilig wird, schwimmst du los“, befürchtete er. „Ich verspreche dir, ich schwimme nicht los“, versprach Sigrid. Es war heiß und Alwin wollte ihr den Gefallen tun. Für ihn wäre eine kleine Abkühlung auch gut. Obwohl er ahnte, dass Sigrid sich nicht an die Abmachung halten würde, ließ er sich darauf ein. Sigrid ließ sich auf der einen Seite ins Wasser und anschließend Alwin, sich krampfhaft am Boot festhaltend, auf der anderen Seite.
„Ich schwimme ein bisschen umher“, sagte Sigrid nach ein paar Minuten. „Ich bleibe nah beim Boot.“ „Nein, nicht!“, schrie Alwin. Aber es war zu spät. Sigrid hatte sich vom Boot abgestoßen und war sofort ein bis zwei Meter entfernt. Damit fehlte auf der anderen Seite das Gegengewicht. Das Boot stellte sich auf und klatschte über Alwin verkehrt herum ins Wasser. Eine Wasserflut schwappte über ihm zusammen und er versuchte Halt zu finden. Sein Griff ging ins Leere. Panisch fing er an zu strampeln und mit den Armen zu rudern. Dabei schlug er einmal gegen die Kunststoffhaut des Bootes und er versuchte sich daran festzuhalten. Seine Hand rutschte an der nassen, glatten Oberfläche ab. Erneut zog es ihn unter die Wasseroberfläche. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam er mit dem Kopf neben der Boje hoch und schnappte verzweifelt nach Luft. Irgendwie bekam er die Boje zu fassen und umklammerte sie. Die anfängliche Erleichterung schlug sofort in Panik um, denn sein Gewicht drehte die mit Luft gefüllte Plastikkugel und er war erneut unten. Er konnte machen, was er wollte, die Kugel drehte sich immer wieder und drückte ihn damit runter. Die Lage schien aussichtslos und seine Kräfte ließen langsam nach. Er wusste nicht, wie lange sein Kampf gedauert hatte. Irgendwann hörte er Sigrids Stimme, die ihm zurief, dass er sich am Boot festhalten sollte. Sie hatte es in der Zwischenzeit geschafft, das Boot zu drehen und in seine Nähe zu schieben. Er versuchte das Spannseil zu erwischen, das einmal um das ganze Boot befestigt war. Sein Griff ging ins Leere und er tauchte sofort unter.